In unserer neuen Rubrik lassen wir Menschen aus Kultur, Sport und Gesellschaft zu Wort kommen – persönlich, pointiert und mit Haltung zu Klima, Energie und Nachhaltigkeit. Zum Auftakt erzählt Romano Mombelli, Open-Water-Schwimmer aus Solothurn, über „Fütterungen“ und Müllhalden im Ärmelkanal, motivierende Whiteboards und den Versuch, negative Energie einfach zu umschwimmen… und gönnt uns sogar eine Extrarunde mit einer vierten Antwort.
I Was ist für Dich echte Energie – im Wettkampf, im Training, im Alltag?
Positive Energie! Lichtblicke im Freiwasserschwimmen sind jene Momente, in denen ich etwas zu Trinken oder Essen kriege – meist in liquider Form – im Abstand von 30 bis 45 Minuten. Diese Momente werden im Fachjargon «Feedings» genannt, auf Deutsch «Fütterung», wie bei Seehunden, Robben oder Delfinen in amerikanischen Freizeitparks. Die Nahrungsmittel werden mir mit einem so genannten «Feeding Stick», einer Teleskopstange mit Körbchen, in Wasser gereicht. Denn ich darf mein Begleitboot, mein schwimmender Anker während der Durchquerung, zu keinem Zeitpunkt berühren – Kanalregel.
Von Zeit zu Zeit feuert mich mein Team auf dem Begleitboot an und hebt ein beschriebenes Whiteboard mit motivierenden Inputs in die Höhe. Dies klingt vielleicht nach einem unwichtigen Detail, aber nach vielen Stunden im kalten Nass ohne jede optische Stimulation können motivierende Worte und eine informative weisse Tafel einem teils mehr Kraft geben als eine liquide Mahlzeit.
Im Alltag geben mir eine ausgewogene Ernährung und ein stabiles soziales Umfeld die nötige Energie, um Training und Arbeit unter einen Hut zu bringen. Negativer Energie – Pessimismus, Unzufriedenheit, Missgunst und Eifersucht – versuche ich stets aus meinem Lebensalltag zu verbannen, in dem ich sie zu umschwimmen versuche.
II Spitzensport und Nachhaltigkeit: Geht das unter eine Badekappe? Und wenn ja – wie?
Teils. Im Alltag bin ich ausschliesslich mit dem ÖV oder dem Fahrrad unterwegs. Ich besitze kein Auto und wohne bescheiden in einer 1-Zimmerwohnung. An die meisten europäischen Events reisen wir auf Kosten der Regeneration zugunsten des Klimas mit der Bahn an. Ein Reisetag ist aus sportlicher Perspektive kein Erholungstag und die Verspätungen – insbesondere jene der Deutschen Bahn (DB) – müssen kurz vor dem Wettkampf eingesteckt und akzeptiert werden. Sich darüber zu echauffieren bringt nichts. Eine radikale Akzeptanz ist vonnöten – sich über Verspätungen enervieren, ist verschwendete, negative Energie. Wenn die fahrplanmässige Reise zum Wettkampfort 10 bis 12 Stunden mit der Bahn in Anspruch nimmt, fliegen wir. Denn letztlich will ich auf dem Siegertreppchen stehen und dies ist nur mit einer perfekten Vorbereitung und der nötigen Erholung realisierbar. Dies schulde ich auch meinen Sponsoren und Supporter:innen, denn ohne diese wären meine waghalsigen Ambitionen Luftschlösser.
III Wenn Du eine Botschaft in den Pool der Gesellschaft schicken könntest: Was wäre Deine persönliche Message zum Thema Klima?
Die Klimaerwärmung ist in vollem Gange und darf nicht verleugnet werden. Unsere Weltmeere sind vermüllt – eine schwimmende Müllhalde. Im Ärmelkanal bin ich gegen Europaletten und andere Abfälle geschwommen. Die gezüchteten südenglischen Austern – ausgezeichnete Wasserfilter – im Hafen von Folkestone rochen auf dem Teller nach Frachtschiff im Kanal – nach Diesel und Öl. Ungeniessbar. Immer wieder schwimme ich in Minenfelder von Quallen, da sie über keine natürlichen Fressfeinde wie beispielsweise den überfischten Thunfisch mehr verfügen, daher: Verzichtet auf den Kauf von Thunfisch – der Artenvielfalt in unseren weiten Ozeanen sowie Euren künftigen Ferien am Meer zuliebe. Denn sonst baden wir in zehn bis zwanzig Jahren nur noch im Hotelpool aufgrund der jährlichen Quallen-Plagen. Mein Sport, wie ich ihn heute ausübe, wird in spätestens zwanzig Jahren nur noch mit Neoprenanzug möglich sein.
Supplement: Wenn Energie sichtbar wäre – wie würde Deine im Wasser aussehen?
Energie ist überall. Ich bin Teil eines Energiesystems. Ich nehme sowohl vom Wasser (Wellengang, Gezeiten usw.) und seinen Meeresbewohnern als auch von meinen Mitmenschen auf dem Begleitboot Energie auf und gebe welche an sie ab. Das Meer – die Natur, ist die stärkere Energie, da sie mich durch die Gezeiten und mit vielen weiteren Faktoren beeinflusst, über welche ich mit eigener Energie nur partiell Kontrolle erlangen kann. Ich kämpfe nicht gegen die Natur an oder will sie bezwingen, sondern muss mit ihr harmonieren, damit ich ans Ziel gelange.
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